
Leben abseits jeglicher Konventionen: Eine digitale Nomadin, die mit ihrem Van sämtliche Länder bereist. Ein Schausteller, der mit seiner Familie von Rummel zu Rummel zieht. Wohnungslos, aber nicht heimatlos, finden beide Erfüllung in der Freiheit unterwegs zu sein.

Foto: Naomi Stieglmaier
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Sophie Nießer (27) - digitale Nomadin mit ihren Hunden

Foto: Albert Lich
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René Warkus (49) - Schausteller mit seiner Familie
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Schausteller:innen betreiben ihr Reisegewerbe mit Schau- oder Belustigungsgeschäften sowie Zeltgaststätten, Imbissen oder Ausschänken auf wechselnden Events mit volksfestähnlichem Charakter.
Traditionsreiches Gewerbe:
Die meisten Betriebe bestehen seit circa 105 Jahren, somit oft schon in fünfter Generation.
Land der Volksfeste:
Nirgendwo anders finden mehr Volksfeste statt als in Deutschland statt, jährlich 9.900 - 9.750.
Arbeitszeit:
Durchschnittlich stehen Schausteller:innen an 149 Tagen (ohne Auf- und Abbau) auf 22 Veranstaltungen pro Jahr.
Anzahl der Unternehmen:
2008: 5300 Betriebe
2022: 4000-4500 Betriebe, Tendenz sinkend
Wirtschaftsfaktor:
Das Schausteller:innengewerbe erzielt einen jährlichen Umsatz von 4,75 Milliarden Euro.
Rummelplatz Weimar, Pfingstsonntag, halb 12 Uhr mittags: René Warkus steht bereits seit vier Stunden im Geschäft. Er hat alle Arbeitsflächen gewischt, Baguettes geschmiert, Soßen angerührt und zwei kaputte Glühbirnen an der Mühle gewechselt. Die Mühle - das ist ein Imbissstand auf Rädern und sie ist, sein ganzer Stolz. Nachts wird das sich drehende Mühlrad über dem Imbiss von 1200 Glühlampen beleuchtet. Momentan scheint aber noch die Sonne auf René und seine Pilze. Während die ersten Besucher über den Rummel schlendern, bereitet er den Kassenschlager zu: Knobi-Baguette und Champignons.
René ist Varieté-Künstler in vierter Generation. Der 49-Jährige kennt das Leben als Reisender von klein auf. In das Schaustellertum ist er dabei hineingewachsen. Urgroßvater Max Mazoni war Musical-Clown und gab seine Begeisterung für Musik auch an die nächsten Generationen weiter. René’s Großeltern hatten ein eigenes Blasorchester in Staßfurt, das er bis heute im Winter als Dozent betreut. Natürlich ließ sich auch Renés Vater von dieser Begeisterung anstecken. Auf ihn ist René besonders stolz. „Mein Vater war Bernd Warkus, einer der größten Xylophonvirtuosen”, erklärt er und lehnt sich über den Stehtisch. „Trotzdem wollte meine Familie, dass ich erstmal etwas Vernünftiges lerne.” Nach einer Ausbildung zum Anlagenmechaniker, fasste er Fuß in die Militärmusik der Bundeswehr und arbeitete in dieser Zeit auf den Rummelplätzen weiter. 15 Jahre leistet er Militärdienst - in verschiedenen Musikkorps.
Zwar kann er beim Bund seiner musikalischen Leidenschaft nachgehen, doch das Schausteller-Dasein lässt ihn nicht los. „Das, was meine Vorfahren gemacht haben, verspricht auch heute noch Erfolg. Man muss es nur an die heutige Zeit anpassen”, sagt René grinsend. Er probiert sich aus: Losbude, ein Simulator, Projektzirkus. Dabei begegnet er immer wieder den gleichen Menschen. Schon damals ist die Schaustellergemeinde eine eingeschworene Gesellschaft. Seinen Schwiegervater, den Zirkusbesitzer Vernardo Hein, kennt René seit er ein Kind ist. Gerade ist die Beziehung zu seiner ersten Frau zerbrochen, da wird er bei den Heins zum Essen eingeladen. „Bei einer Zigarette vor der Tür hat er mich dann gefragt, wie es bei mir gerade in der Liebe aussieht und ob ich weiß wer mir gegenübersitzt”. Es war Mariana, die Tochter des Zirkusbesitzers. Schnell verliebt sich René in die junge Seiltänzerin. Die beiden entscheiden sich dafür, einen Geschäftsteil des Zirkus Hein zu übernehmen und gemeinsam neu zu starten.
Fernab vom Lärm und Trubel der Jahrmärkte steht ein weißer Van auf einer Obstbaumwiese. Die Heckscheibe ziert ein buntes Window Color Mandala. Unter der Markise des Wagens sitzt eine junge Frau. Sie ist barfuß, hat die Beine überschlagen und einen Laptop auf dem Schoß. Konzentriert schaut sie auf den Bildschirm. Im Schatten der offenstehenden Autotür liegt ein großer langhaariger Hund und hechelt vor sich hin. Ein zweiter kleinerer springt wild umher. Die weitläufigen Hügel bieten genügend Platz für die Vierbeiner. Sophie Nießer kommt im Sommer oft an diesen Ort. Baiersdorf bei Erlangen, ihre Heimat. Die dunklen Wintermonate aber verbringt sie nicht in Deutschland. Die 27-Jährige lebt als digitale Nomadin.
„Mittlerweile bin ich schon seit drei Jahren unterwegs”, erzählt Sophie. Dank Home Office kann sie von überall aus arbeiten. Mehr als einen Laptop und eine stabile Internetverbindung braucht sie dafür nicht. Dafür lebt sie auf knapp sechs Quadratmetern. Vor dieser drastischen Entscheidung lernt Sophie erst Bürokauffrau, dann Kindertagespflegerin und macht berufsbegleitend eine Ausbildung zur Hundetrainerin. Ihr Collie Charly und ihr Sheltie Merlin sind immer an ihrer Seite. Als ambitionierte Trainerin nimmt sie mit den Hunden auch an Turnieren teil. Dafür fährt sie durch ganz Deutschland. „Ich hab mir dann einfach ne Matratze in meinen Kombi geschmissen und dort mit den beiden Hunden geschlafen“, erinnert sie sich, „aber auf Dauer war das einfach unbequem”.
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Digitale Nomad:innen gehen ihrem Beruf durch den Einsatz digitaler Technologien nach, während sie ein multilokales (nomadisches) Leben führen.
Anzahl digitaler Nomad:innen:
Schätzungen zufolge gibt es weltweit circa 35 Millionen digitale Nomad:innen. Ein starker Anstieg war in den Jahren 2020/2021 zu verzeichnen.
Älter als gedacht:
Fast 50 % der Nomad:innen sind zwischen 30 und 39 Jahren und 35 % zwischen 40 und 59.
Hohes Einkommen:
36 % verdienen zwischen 100.000 und 250.000 Euro im Jahr. Nur 6 % erwirtschaften weniger als 25.000 Euro.
Beliebteste Länder:
Lateinamerika und Ostasien sind Hotspots für digitale Nomad:innen. Portugal ist das einzige europäische Land in den Top 10 der Reiseziele.
Abbruch:
Einsamkeit ist der Hauptgrund für den Abbruch des Daseins als digitale Nomad:innen.
Ein alter Renault Boxer sollte das neue Zuhause werden. „Ich hatte keine Ahnung, wie so ein Ausbau funktioniert, aber dafür gibt es ja zum Glück YouTube“, berichtet Sophie grinsend. Das Ergebnis: ein komplett ausgestatteter Van mit Sitz-und Kochmöglichkeit, großem Bett, zwei eingebauten Hundeboxen und einer Außendusche. Auf dem Armaturenbrett genießen zwei Topfpflanzen die Sonne. „Mittlerweile fühlen die sich hier richtig wohl“, meint sie.
Die erste Reise führt Sophie nach Italien und Griechenland. Nach vier Monaten ist sie wieder zurück in Deutschland, zurück im Hamsterrad. „Da bin ich irgendwie total in ein Loch gefallen, ich weiß auch nicht“, überlegt sie, während sie dabei gedankenverloren an die Decke ihres Vans starrt. Für die 27-Jährige war klar, dass das “normale Leben” keine Option mehr für sie ist. Schicksal, Karma oder glückliche Fügung: In dieser Zeit erhält Sophie einen Anruf von einem kleinen Start-Up für Hundezubehör. Die beiden Gründer hätten Sophie gerne als Kuratorin für ihren Social Media Content, ihre Hunde würden sich perfekt als Models eignen. Mit dem neuen Job in der Tasche geht alles ganz schnell. Seitdem besteht ihre einzige Herausforderung darin, zu entscheiden, wo es als nächstes hingehen soll. Im besten Fall ans Meer. Klingt fast zu schön, um wahr zu sein.
Video: Sophie Nießer
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"Hier soll Spaß an der Freude sein, und hier muss man in der Regel auch mal den ganzen Alltag vergessen können."
Video: Jakob Steiner & Naomi Stieglmaier
Video: Jakob Steiner & Naomi Stieglmaier
Absolut wahrhaftig und überhaupt nicht schön brach 2020 die Corona-Pandemie über René und die Schaustellerwelt herein. Das bedeutete ein komplettes Arbeitsverbot für die gesamte Branche. Deswegen musste der Zirkus stehen bleiben und das Personal suchte sich andere Jobs. Doch auf die Kollegen ist Verlass. Von einem befreundeten Schausteller bekommt er ein unschlagbares Angebot: Die Mühle. „Wir haben die richtigen Schritte zum richtigen Zeitpunkt gemacht“, sagt er, während er stolz den kleinen Imbisswagen zeigt. Unter dem weißen Mühlrad bereitet René mit seiner Frau die berühmten Champignons zu. Obwohl in dem kleinen Wagen nur begrenzt Platz ist, kommen sich die beiden nicht in die Quere. Die Bewegungen von René und Mariana wirken wie ein eingeübter Tanz - und beide beherrschen die Choreographie. In der speziell angefertigten Pfanne werden die Pilze mit etwas Öl scharf angebraten. Das Ergebnis: außen knusprig, innen bissfest. Dazu verschiedene Soßen, alle hausgemacht und bei den Gästen sehr beliebt.
Die beiden sind aber nicht nur zu zweit. Immer mit dabei: Maximilian (7), der jüngste gemeinsame Sohn. Leonie (18) und Fabienne (10), die beiden Töchter aus jeweils erster Beziehung, sind nur gelegentlich zu Besuch. Schaustellerkinder wie Maximilian, sind mit ihren Eltern oft das ganze Jahr unterwegs. Trotzdem müssen sie die Schulbank drücken. Das bedeutet für den Erstklässler: Häufige Schulwechsel und Unterricht am Nachmittag im Schulwagen. Dieser reist auf Initiative des Kultusministeriums Thüringen zu den großen Jahrmärkten in Thüringen und unterstützt die Kinder beim Lernen. Trotzdem ist es oft sehr hart. „Immer muss ich meinen Freunden wieder tschüss sagen, weil sie ganz woanders sind”, beschwert sich Maximilian.
Aber Rummel ist auch nicht das ganze Jahr. Zwischen Januar und März ist Pause für Familie Warkus. „Wenn man acht, neun Monate im Wohnwagen gelebt hat, ist man zufrieden, wenn man sich auch mal auf eine größere Couch legen kann”, erzählt René. Besagte Couch steht in einem Haus bei Wittenberg, mit über 3000 Quadratmetern Grundstück und angrenzendem Wald. Hier kann Max mit seinen Freunden spielen und auch die Eltern freuen sich über eine Auszeit.
Doch es ist Juni und das bedeutet Arbeitszeit für René. In Weimar beginnt mittlerweile der Nachmittag. Am Stand ist etwas Ruhe eingekehrt. René hat Zeit, eine Runde über den Rummelplatz zu drehen. Hin und wieder bleibt er stehen, um sich mit Kollegen über das Tagesgeschäft auszutauschen. Da Renés Route fast jedes Jahr durch dieselben Orte führt, bekommt er mit, wie sich die Branche verändert. Das äußert sich schon bei der Platzrunde. „Früher stand hier nicht nur eine Schießbude, da waren es Minimum drei oder vier”, erinnert sich der 49-Jährige. Es mache ihn traurig, dass viele der traditionsreichen Schaustellerbetriebe aussterben. Die Rummel werden kleiner, aber die Standgebühren, Strom- und Nebenkosten erhöhen sich. Außerdem sinken schon seit Jahren die Besucherzahlen. „Mittlerweile kann sich ja jeder zu Hause auf der Couch bespaßen lassen.” Für René spielen auch die derzeitigen Krisen eine große Rolle: „Man merkt, dass das Publikum zwischen Daumen und Zeigefinger etwas klammer ist.” Deshalb sind er und seine Frau momentan froh, wenn die Einnahmen die Ausgaben decken. „Das ist in der Schaustellerbranche nicht unüblich”, erklärt René, „mal geht es hoch, mal wieder runter” - wie in einer Achterbahn.



René's Kolleg:innen









Foto: Albert Lich
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Die Route
Die Schaustellerfamilie Warkus legt jährlich circa 10.000 Kilometer zurück. Ihr Weg führt sie dabei größtenteils durch Mittel-und Ostthüringen, hin und wieder aber auch durch Bayern und Sachsen. Am häufigsten baut die Familie ihren Stand auf dem Weimarer Rummelplatz auf.

"Realistisch gesehen glaube ich schon, dass ich irgendwann wieder einen festen Wohnsitz habe. Aber zurzeit kann ich mir das, ehrlich gesagt, gar nicht vorstellen."
Video: Jakob Steiner & Naomi Stieglmaier
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Auf und ab geht es auch für Sophie. Meist ohne Vorwarnung. So auch auf ihrer Reise durch Italien. Als sie nach einem kurzen Einkauf den Supermarkt verlässt, hört sie schon von weitem die Hunde bellen. Die Scheibe des Vans ist eingeschlagen. Zwei Gestalten rennen davon. „Ich hatte meinen Rucksack auf dem Vordersitz liegen, das ist natürlich ein gefundenes Fressen”, erzählt Sophie. Zuerst muss sie die Hunde beruhigen, dann geht es zur italienischen Polizei. Ohne Englischkenntnisse auf der einen und Italienischkenntnisse auf der anderen Seite gestaltet sich die Verständigung schwierig. Aber Sophie kennt bereits ein paar Menschen in der Stadt. Nach einem Anruf kommen sie zur Hilfe und übersetzen bei der Polizia und der Autowerkstatt. Aus dem vermeintlichen Tiefpunkt wird so für die 27-Jährige eine Erfahrung, die ihr in Erinnerung bleibt: Menschen, die sie gerade erst kennengelernt hat, sind für sie da. Ihr Sicherheitsgefühl im Van hat trotzdem einen kleinen Knacks bekommen. „Es ist schon krass, wenn einem klar wird, wie leicht Leute in deinen persönlichen Bereich eindringen können, aber dafür habe ich ja Charles und Merlin”, meint Sophie während sie dem kleinen Sheltie über den Kopf streichelt.
Einbrüche, Krankenhausaufenthalte im fremden Land, Stellplatzsuche am späten Abend. Das Leben ohne festen Wohnsitz ist nicht immer leicht. Aber es hat Sophie um einiges entspannter gemacht. Nur eines fällt ihr nach wie vor schwer: Abschied nehmen. Ständig. Von allem und jedem. Mit ihren Freunden hat sie eine Lösung dafür gefunden. „Manchmal facetimen wir stundenlang, ohne miteinander zu reden, einfach um beieinander zu sein”, erklärt Sophie. Es ist und bleibt aber eine Notlösung. Getrennt durch hunderte Kilometer, ist es jedoch trotzdem schwierig Kontakt zu halten. „Ich vermisse meine Familie zu Hause schon sehr, besonders, weil meine Schwester gerade ein Kind bekommen hat”, sagt die 27-Jährige. „Ich will doch eine gute Tante sein.”
Dafür lernt Sophie auf ihrer Reise ständig neue Menschen kennen. Diese wachsen ihr schneller ans Herz, als es eigentlich geplant war. In Padova lernt sie eine Gruppe Menschen kennen und entscheidet sich länger zu bleiben. Möglicherweise auch wegen einer ganz bestimmten Person. „Na klar hab ich mich verliebt”, lacht Sophie, „obwohl ich eigentlich gesagt habe, dass ich für mich bleibe”. Doch auch hier hieß es früher oder später wieder Abschied nehmen. Es folgt ein Jahr Fernbeziehung mit vielen Wochenendbesuchen. Was blieb, war eine schöne Zeit und etwas Herzschmerz.
Video: Sophie Nießer
Video: Sophie Nießer
Darüber hinweg getröstet hat sie ihre eigene kleine Familie: Charly und Merlin. Die beiden Hunde sind immer mit an Bord. Dafür spendiert sie ihnen unter dem Bett zwei luxuriöse Schlafboxen. „Ich habe mittlerweile mehr Zubehör für meine Hunde als für mich selbst”, stellt Sophie fest. Den kleinen Sheltie Merlin hat sie mit einem Jahr aus dem Tierschutz übernommen und musste ihn erstmal erziehen. Für die ausgebildete Hundetrainerin kein Problem. Den Collie Charly bekamm sie mit 10 Wochen als Welpe. Er ist mittlerweile schon ein Senior. Sie weiß nicht, wie lange er noch mitreisen kann. Aber ohne ihn zu fahren, ist keine Option. Obwohl die Tierarztkosten so hoch sind. „Die beiden geben mir ein Gefühl von Sicherheit”, erklärt Sophie. Außerdem haben die Vierbeiner noch einen ganz anderen Vorteil: Für Sophie sind sie eine Riesenhilfe, mit Menschen an den verschiedensten Orten ins Gespräch zu kommen. „Einen einfacheren Weg, um Leute kennenzulernen, gibt es nicht.”
Trotz der teuren Tierarztbesuche hat Sophie’s Geld bis jetzt immer gereicht. Dabei arbeitet sie momentan nur zwischen 25 bis 30 Stunden für das Hundezubehör-Start Up. Dafür kann sie sich ihre Arbeitszeiten selbst aussuchen. Außerdem fällt mit dem Van als zu Hause die Miete weg. Aber der Tank muss gelegentlich aufgefüllt oder das Auto repariert werden. „Ersatzteile können manchmal ganz schön teuer sein”, schimpft sie. Trotzdem arbeitet sie nicht, um zu sparen, sondern um das Leben unterwegs zu genießen.

Die Route
Nachdem Sophie ein Jahr Vollzeit im Van lebte, reist sie 2021 für vier Monate mit dem Auto durch Italien und Griechenland. 5.692 Kilometer legen sie und ihre Hunde auf dieser Reise zurück. Danach führt es sie wieder zurück nach Nürnberg. Damals beinhaltet die Route noch viele verschiedene Stopps, heute bleibt sie auch gern für längere Zeit an einem Ort. Das erleichtert sowohl das Arbeiten als auch das Kontakte knüpfen.

„Leben on the road hat mich auf jeden Fall verändert”, meint Sophie. Früher war sie sehr ängstlich und viel mit sich allein. Diese Eigenschaften muss man aber unterwegs ablegen, da kein Tag wie der andere ist. Durch die vielen Ortswechsel verändert sich das Lebensumfeld täglich. „Du wirst einfach lockerer und siehst die Dinge nicht mehr so eng.” Die Dusche ist zwar nicht immer warm, die Toilette auch nicht immer so sauber. Ganz so schön wie auf Instagram unter #vanlife ist die Realität nun einmal nicht. Trotzdem steht für Sophie fest: „Ich kann mir in nächster Zeit nicht vorstellen, langfristig nach Deutschland zurückzukehren”. Sie plant nicht mehr viel voraus, lebt im Hier und Jetzt. Als nächstes soll es erstmal nach Spanien und Portugal gehen. Und danach mal schauen.
Auch das Schaustellerleben besteht nicht nur aus Zuckerwatte und Riesenrad. Es ist harte Arbeit. René hat oft daran gedacht, den Job an den Nagel zu hängen. Wenn an der Mühle wieder einmal etwas kaputt geht und die Preise steigen, die Einnahmen sinken. Oder wenn die Leute lieber Netflixen, als auf den Rummel zu gehen. „Aber ans Aufgeben denke ich höchstens fünf Minuten“, versichert René. Dann wird ihm wieder bewusst, warum er seinen Job so liebt. Von Rummel zu Rummel fahren, immer wieder Neues sehen, alte Bekannte treffen und die Familientradition fortführen. Für Letzteres stehen die Chancen gut. Maximilian plant schon jetzt fest mit einem Leben als Schausteller, will später einen Autoscooter besitzen und wie der Papa das Publikum glücklich machen. Für den ist nichts wichtiger als das. „Wenn die Kinder auf den Rummel kommen und die Augen strahlen, das ist die beste Belohnung, die ich mir vorstellen kann“, sagt René und strahlt selbst.
Video: Jakob Steiner & Naomi Stieglmaier
Video: Jakob Steiner & Naomi Stieglmaier
Impressum
Redaktion: Annika Franz, Albert Lich, Justus Niebling, Vojtěch Podjukl, Jakob Steiner, Naomi Stieglmaier
Redaktionelle Leitung: Prof. Dr. Cornelia Wolf
Foto & Video Credits: Albert Lich, Jakob Steiner, Naomi Stieglmaier, René Warkus, Sophie Nießer
Verantwortlich: Albert Lich
Universität Leipzig | Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft Postfach 165101 | Ritterstraße 24 | 04109 Leipzig
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